Der niedersächsische Hundeführerschein – Brauche ich den eigentlich?
Was ist eigentlich der Hundeführerschein? Wer braucht ihn und warum? Gibt es Kampfhunde und Rasselisten? Und wieso ist das bei uns in Niedersachsen anders als in Bayern oder Nordrhein Westfalen? In den sozialen Netzwerken findet man eine Fülle an Information und – wie so oft – auch viel Unsinn und Durcheinander. Wir geben Ihnen hier einen Überblick, welche Regelungen bei uns in Niedersachsen gelten und schaffen so hoffentlich Klarheit in dem Dschungel der Begrifflichkeiten.
Aus der Historie
Zu Beginn dieses Jahrhunderts mehrten sich die Meldungen über tödliche Beißattacken gefährlicher Hunde in Deutschland und Stimmen wurden laut, diesem Treiben endlich ein Ende zu setzen. Die Politik konnte sich dem wachsenden Druck der Medien und der Bevölkerung nicht länger verschließen. Verordnungen mussten her. Und im föderalistischen Deutschland ist dies Ländersache. Schnell waren bestimmte, als besonders gefährlich geltende Hunde in Kategorien eingeteilt, mussten übereilt gestrickte Wesensteste ablegt werden. Hunde der Kategorie 1 und 2 wurden ungeachtet ihrer individuellen Aggressionsbereitschaft mit Maulkorb- (1+2), Kastrations- (1) und Leinenzwang (1+2) belegt. Diese Rasselisten hatten wir damals auch in Niedersachsen. Und so fanden sich hunderte Halter diverser zumeist äußerst friedlich-fröhlicher Kampfschmuser zum Wesenstest ein und mussten ihrem Hund, der vielleicht nie zuvor jemandem etwas zuleide getan hatte, plötzlich überall einen Maulkorb aufsetzen. Eine ganz schlimme Erfahrung, die wir auch selbst als erfahrene Rottweilerhalter machen mussten. In der Praxis hatten wir nicht endende Diskussionen um die Rasselisten und darum, ob man vielleicht bereit sei, sich strafbar zu machen und einem offensichtlichen Staffordshire Terrier „Kurzhaarchowchow“ oder in den Pass zu schreiben. Plötzlich gab es überall nur noch Labradormischlinge.
Seit 2011 ist das in Niedersachsen dank sehr engagierter Tierärzte, Verhaltestherapeuten und Politiker Geschichte. Trotzdem und weil andere Länder das leider ganz anders sehen, ist der Begriff „Kampfhund“ aus vielen Köpfen nicht herauszukriegen. Hier in Niedersachsen wurden Kategorien, Rasselisten aber abgeschafft und an ihre Stelle trat das Niedersächsische Hundegesetz (NHundG), das bis heute Gültigkeit hat.
Das NHundG besagt, dass jeder, der einen Hund, egal welcher Rasse, halten will, entweder nachweisen muss, dass er in den letzten 10 Jahren bereits für mindestens zwei Jahre einen Hund gehalten hat, oder den amtlichen Sachkundenachweis für Hundehalter ablegen muss. Ausgenommen sind bestimmte Berufsgruppen wie z. B. Tierärzte und Ausbilder von Hunden zu Dienst- oder Schutzwecken, da diese eine andere Sachkunde vorweisen müssen. Natürlich gab es auch bei dieser Einführung viele Diskussionen, vor allem darum, dass Hundehaltung nicht gleich Befähigung zur Hundehaltung bedeutet. Das ist zwar richtig, die Zeit wird aber über diesen Punkt hinweghelfen. Zum einen greift diese Regelung nur bei den Personen, die diese (zweijährige Haltung innerhalb der letzten 2 Jahre vor 2011) auch nachweisen können (über Hundesteuer, Versicherung, o. a.). Es genügt also nicht das zu behaupten, oder schon im Elternhaus einen Hund gehabt zu haben. Man muss selbst offizieller Hundehalter gewesen sein. Zum anderen werden die Generationen alter Hundehalter irgendwann nicht mehr am Leben sein. Dann gilt logischerweise für alle: Wer selbst Halter werden will, muss die Prüfung ablegen.
Hundeführerschein, Sachkundenachweis, Begleithundeprüfung, Wesenstest – wo sind eigentlich die Unterschiede und wer braucht was?
Was hat sich gegenüber früher geändert?Ein Hund muss jetzt sozusagen beweisen, dass er ein gefährlicher ist. Nach Beißunfällen o. a. kann die zuständige Behörde, zumeist das Veterinäramt, einen Wesenstest verlangen und diverse Auflagen für die Haltung dieser Hunde verhängen. Die Rasse spielt dabei keine Rolle. Im schlimmsten Fall kann der Halter u. a. mit lebenslangem Hundehaltungsverbot belegt werden. Die Wesensteste dürfen nur von dafür gelisteten, speziell ausgebildeten Tierärzten vorgenommen werden. Den Wesenstest solch gefährlich eingestufter Hunde nehmen wir nicht ab.
Vielmehr sind wir zertifiziert zur Abnahme des amtlichen Sachkundenachweises für Hundehalter in Niedersachen.
Da der amtliche Sachkundenachweis in der Umgangsprache oft auch „Hundeführerschein“ genannt wird, führt es zu großer Unsicherheit, wenn Hundeschulen und –vereine ihre eigenen Hundeführerscheine durchführen, die mit ganz anderen Vorgaben dann aber, zum Teil, keine amtliche Geltung haben. Fragen Sie daher unbedingt immer erst vor Antritt der Prüfung danach, ob der Prüfer eine amtliche Zertifizierung besitzt!
Der offizielle VDH-Hundeführerschein geht über den hier angesprochenen Sachkundenachweis hinaus, da dieser von zertifizierten Prüfern neben der Sachkunde des Halters auch den Hund abprüft. Zwar muss man nicht Mitglied im VDH sein, kann ihn aber nur nach gründlicher Basisausbildung des Hundes erfolgreich bestehen.
Prinzipiell unterstützen wir das und halten es immer für sinnvoll, den Hund vernünftig auszubilden. aber nicht jeder, der einen Hund hält, möchte eine Hundeschule oder einen Verein besuchen, oder dort eine Prüfung ablegen. Um das zu gewährleisten, hat das Land ein anderes Instrument geschaffen. Den amtlichen Sachkundenachweis für Hundehalter. Wenn es Ihnen also darum geht, lediglich Ihre Sachkunde nachzuweisen, genügt der amtliche Sachkundenachweis für Hundehalter, denn der ist Pflicht für jeden, der selbst einen Hund halten möchte. Für diesen sind wir zertifiziert. Um die Verwirrung komplett zu machen, wird der amtliche Sachkundenachweis für Hundehalter umgangssprachlich ebenfalls als Hundeführerschein bezeichnet. Er giltals Nachweis IHRER Befähigung, einen Hund zu führen und nicht, ob der Hund sich benimmt. Daher werden auch nur SIE geprüft und der Hund als Instrument zum Nachweis Ihrer Befähigung gesehen. Das heißt nicht, dass wir den Hund nicht in die Beurteilung einbeziehen. Der Blick kommt aber aus einer anderen Perspektive: Wir schauen nicht, was der Hund richtig macht, sondern wie Sie reagieren, wenn er etwas machen soll, bzw. wenn er eben nicht macht, was er soll. Dabei kommt es zwar auch auf Kommandos an, viel wichtiger ist aber zu beurteilen, ob Sie vorausschauend, rücksichtsvoll und verantwortungsvoll mit Ihrem Hund, im Straßenverkehr sowie mit ihrer Umwelt umgehen.
Daher rührt auch die Entscheidung, dass Sie den praktischen Teil dieses Testes mit einem anderen als ihrem eigenen Hund ablegen dürfen. Eine Entscheidung, die unter vielen Hundehaltern bespöttelt wird, jedoch im Sinne der Sache korrekt ist. Denn das Zeritifikat ist Ihres, nicht das Ihres Hundes, Ihres Partners oder Nachkommen und gilt Ihr Leben lang. Und wenn man sich dann einen Hund hält, mit dem man nicht klarkommt und der dann eine Gefahr für die Umwelt darstellt, greift das NHundGesetz mit anderen Maßnahmen ein (s. o.)
Der amtliche Sachkundenachweis für Hundehalter – Pflicht für jeden, der selbst einen Hund halten möchte - umfasst
Theoretischer Teil:
Dieser muss idealerweise vor Aufnahme des Hundes abgelegt werden.
Hier gibt es in Niedersachsen zwei verschiedene Varianten. Den DOQ-Test und den von der GOVConnect GmbH im Auftrag des Landes Niedersachsen herausgegebenen Test. Beide sind Single- bzw. Multiple-Choice-Teste. Während der Dog-Owners-Qualification-Test (DOQ) von Tierärzten und Verhaltenstherapeuten entwickelt bundeseinheitlich abgenommen wird, ist der „Niedersächsische Landestest“ von GOVConnect mit 35 Fragen und jeweils einer richtigen Antwort kürzer und vermeintlich einfacher. Allerdings zeigt die Durchführung bei beiden Testen immer wieder Probleme. Eben weil es keine bundeseinheitliche Regelung auf gesetzlicher Ebene oder bestimmter Rasselisten gibt, oder manchmal scheinbar mehrerer Antworten korrekt sind. Uns als Tierärzte stehen beide Teste zur Auswahl.
Hier einige Tipps, was Sie für den theoretischen Teil des Testes brauchen:
Bereiten Sie sich vor. Laissez faire ist sträflich. Man kann auch durchfallen. Allerdings kann man dann den Test beliebig oft durchführen. Es gibt aber eingängie, gute, nicht allzu lange Literatur zu dem Thema. Hier zwei Beispiele:
1. Der Hundeführerschein – Das Original: Sachkunde – Basiswissen und Fragenkatalog
von Celina del Amo, Renate Jones-Baade, Karina Mahnke
2. Hundeführerschein und Sachkundeprüfung: Vorbereitung für Hundehalter
von Dr. med. vet. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Dr. med. vet. Pasquale Piturru
Beide Bücher sind sehr gut, die darin enthaltenen Fragen reichen aber für die Beantwortung der rechtlichen Bestimmungen speziell in Niedersachsen häufig nicht aus. Man sollte sich also zusätzlich auch das NHundG und die Bestimmungen zur Brut- und Setzzeit des ml.niedersachsen durchlesen. Beides kann man im Internet einsehen.
Für den theoretischen Teil können Sie jederzeit einen Termin während unserer Sprechzeiten vereinbaren.
- Mitzubringen ist: Ihr Personalausweis
- Menschen mit Leseschwäche stehen wir gern zur Seite, um die Fragen und Antworten vorzulesen.
- Wir bevorzugen den Online-Test. Wenn Sie den Test lieber auf dem Papier ablegen möchten, ist das aber auch immer möglich.
Praktischer Teil:
Für diesen haben Sie ein ganzes Jahr nach Aufnahme Ihres Hundes Zeit.
Das heißt, auch wenn Sie einen erwachsenen Hund aufnehmen, müssen Sie den praktischen Teil erst ein Jahr später ablegen. Genug Zeit zur Eingewöhnung und Erziehung. Hier werden Sie geprüft:
- In einer parkähnlichen Situation, im Kontakt mit anderen Hunden, Menschenmengen, Fahrrädern, Schirmen, Kinderwagen, etc.,
2. im Straßenverkehr und
3. ob Sie in der Lage sind, einen Hund kontrolliert zu tragen und zu begutachten.
Ich sag dazu immer scherzhaft „Augen, Maul und Ohren auf, Rute hoch, Pfoten hoch, Hund hoch….“
Wie schon erwähnt, dürfen Sie den praktischen Test mit einem anderen als Ihrem eigenen Hund ablegen. Gleichzeitig haben wir Prüfer aber das Recht, einen Hund auszuschließen, wenn eine Prüfung mit diesem nicht möglich ist, unerlaubte Hilfsmittel wie Bauchgurte, Teletakt, Aroma-, Stachel- oder Würgehalsbänder, etc. genutzt werden wollen, oder der Hund nicht gechippt oder haftpflichtversichert ist. Das wird natürlich zuvor kontrolliert. Außerdem können Prüfer während der Prüfung einen Hundetausch anordnen. Das machen wir manchmal, wenn uns vorgeführte Hunde zu brav sind und wir dadurch nicht richtig beurteilen können, ob der Mensch am anderen Ende der Leine richtig reagieren würde.
Hier einige Tipps, was Sie für den praktischen Test brauchen:
Für den praktischen Teil des Testes sammeln wir Teilnehmer in einer Liste und geben von Zeit zu Zeit Termine bekannt. Rufen Sie uns einfach an, teilen Sie uns mit, wann Sie den Test machen müssen und bitten Sie, in die Liste aufgenommen zu werden. Sie können bei uns den praktischen Teil auch ablegen, wenn Sie den theoretischen Teil vorher woanders gemacht haben. Bringen Sie dazu einfach dann den Nachweis darüber mit.
- Ihren Personalausweis
- Einen gechipten Hund (elektronischen Tierkennzeichnung)
- Den Impfausweis des Hundes
- Den Nachweis
- über den Halter des Hundes, wenn es nicht ihr eigener Hund ist
- über die Haftpflichtversicherung des Hundes
- über den erfolgreich bestandenen theoretischen Teil, wenn Sie ihn nicht bei uns abelegt haben
- Ein Halsband ohne Zugmechanismus (in Ausnahme akzeptieren wir auch ein Brustgeschirr)
- Eine 1-Meterleine
- Ggf. eine Schleppleine.
- Ggf. Belohnungsspielzeug oder –Leckerli
- Kotbeutel
Flexileinen, Halti, Bauchschlaufen und sonstige Hilfsmittel lassen wir nicht zu. Einzige Ausnahme ist auf Absprache der Gentle Leader, dessen korrekten Einsatz wir dann aber gleich mit überprüfen. Fragen Sie im Zweifel vorher nach.
Zum Schluss das Allerwichtigste:
Machen Sie sich nicht verrückt. Alles halb so wild. Sie schaffen das. Und wenn Sie doch durchfallen: Aufstehen, Krönchen richten nochmal machen. Aber wenn Sie bis hierhin gelesen haben, kriegen Sie den Rest auch hin. Denn wir wollen ja nicht dafür sorgen, die Hundehaltung in Niedersachsen abzuschaffen. Wir möchten, dass Sie Spaß an Ihrem Hund haben, Verantwortung zeigen und sich mit dem Thema beschäftigen, bevor Sie sich ein Tier zulegen.